Fanfic: Ein schicksalhafter Zufall (Fortsetzung zu "Reminiszenz")
Chapter: Ein schicksalhafter Zufall (Fortsetzung zu "Reminiszenz")
Der nächste Tag gehörte zu jenen, die Akane zutiefst verabscheute, eigentlich war es der einzige Tag im Jahr, der ihr unglaubliches Unwohlsein bereitete. Er diente einem festlichen Anlass, für die meisten Menschen gehört er bestimmt zu den allerschönsten, aber, wie gesagt, Akane passte dieser Tag überhaupt nicht. Normalerweise weinte sie sich in der Nacht zuvor in den Schlaf, jedes Mal kamen in ihr alte Erinnerungen auf, traurige Erinnerungen, die sie nicht vergessen konnte, die sie noch immer nach all den Jahren quälten. Vielleicht heilt die Zeit doch nicht alle Wunden, vielleicht aber auch nur die tiefsten. Doch dieses Mal war ihre Aufmerksamkeit dermaßen auf Ranma gerichtet, dass sie gar keine Zeit fand auf andere Gedanken zu kommen. Nur langsam rutschte sie an ihre Bettkante, richtete sich dort auf und holte erst einmal tief Luft. Sie versuchte ihren Erinnerungen keinen Platz zu lassen, doch je mehr sie sich sträubte umso dicker wurden die Tränen in ihren Augen, die schon bald ihren noch ein wenig verschlafenen Augen entwichen und die erröteten Wangen hinunterflossen. Langsam schritt sie auf ihren Schreibtisch zu, öffnete die unterste Schublade und holte vorsichtig einen Bilderrahmen hervor. Eine lange Zeit starrte sie auf das darin geschützte Bild, tastete langsam mit den Fingerspitzen über das dünne Glas. Vereinzelt landeten warme Tropfen darauf, die Akane aber sofort mit einem Taschentuch wegwischte.
Bald stapfte sie die Treppe in Richtung Esstisch hinunter, dort setzte sie sich seelenruhig hin, auch kein anderer sprach auch nur ein Wort, wo normalerweise immer jemand etwas zu sagen hatte. Auch auf dem Weg zur Schule war gepflastert von Stille. Diese Mal allerdings balancierte Ranma nicht auf dem Zaun, sondern ging ziemlich dicht neben Akane entlang. Er war sich im Klaren über den heutigen Tag. Akane in Ruhe zu lassen, schien ihm das Beste zu sein. Zwar dachte er darüber nach, wie er sie aufmuntern könnte, doch wie so oft fiel ihm rein gar nichts ein. An diesem Tag schien Akane eine Außenseiterin zu sein, an den fröhliche Gesprächen ihrer Freundin konnte und wollte sie sich gar nicht beteiligen. Still und traurig saß sie auf ihrem Platz und starrte mit glasigen Augen auf die Tischplatte. Ranma erkannte bald, und zwar, als er sie ansprechen wollte, dass sie einfach in Ruhe gelassen, von keinem angesprochen werden wollte, auch nicht von ihm. Doch wie überall auch auf der Welt, gibt es immer jemanden, der das Schwein in sich zum Vorschein bringen muss. Und schon bald hörte Akane eine Frage, die sie tief berührte und die alte Wunde wieder aufriss: „Hey Akane, sag mal, was schenkst du deiner Mutter eigentlich zum Muttertag?“, erklang eine grässlich lachende Stimme. Akane konnte sich nicht mehr halten, fing furchtbar zu weinen an und stürzte verzweifelt zur Tür hinaus. Das alles bekam Ranma natürlich mit, am liebsten hätte er seinem Mitschüler eine Lektion erteilt, aber Akane hatte Priorität, so rannte er ihr indirekt hinterher, indem er aus dem Fenster sprang.
Endlich entdeckte er sie schluchzend und ganz allein im Park auf einer Bank sitzend. Von hinten näherte er sich ihr auf leisen Sohlen, sie bemerkte ihn erst, als er bereits neben ihr hockte und einfach nur genau wie sich vor sich hinschaute. „Jeder Tag hat einmal ein Ende,
aber man selbst entscheidet, wann es soweit ist, indem man sich zum Schlafen in sein Bett legt.“, flüsterte Ranma, gerade so laut, dass Akane es noch verstehen konnte. Erstaunt drehte sie sich in seine Richtung. „Was?“, entgegnete sie fragend. „Genau wie jeder Tag, endet auch jeder Schmerz einmal, es bleibt dir überlassen, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist.“
Akane war verblüfft wie noch nie zuvor, solche Worte aus Ranmas Mund war sie nicht gewohnt, und doch hatte er irgendwie Recht. Wieder trat die berüchtigte Stille ein. „Was soll ich tun? So einfach vergessen kann ich nicht. Mein Herz ist kein Zimmer, in das ich Dinge stellen und sie wieder wegschmeißen kann, sobald sie mir nicht mehr gefallen.“, weinte Akane schließlich. Ranma hasste es, Akane weinen zu sehen, jedes Mal war es, wie ein Stich in sein eigenes Herz. Er rückte ein wenig näher, legte seinen Arm über ihre Schultern und drückte sie ein wenig an sich: „Schmeiß die Dinge, die in deinem Zimmer stehen nicht weg, Akane. Man wirft nur die Dinge weg, die man hasst und ich glaube nicht, dass du deine Mutter hasst. Erst diese Dinge machen dein Herz zu einem Ganzen, ohne sie wärst du nicht menschlich, trage sie weiterhin in deinem Herzen, aber sei nicht unglücklich damit…Deine Mutter beobachtet dich bestimmt gerade und ist betrübt darüber, dass du ihretwegen diesen Tag verfluchst. Nutze ihn lieber um dich an deine Mutter zu erinnern, an ihre guten, sowie ihre weniger guten Eigenschaften. Sie ist doch in deinem Herzen, wieso in aller Welt glaubst du also, sie wäre nicht bei dir?“, Akane war wieder sprachlos, Ranma schaffte es doch immer wieder sie von neuem zu überraschen. Nun schmiegte sie sich an ihn, dies hatte sie sich schon lange gewünscht. Noch eine ganze Weile verharrten sie so im Park, ohne noch mehr Worte zu verlieren und erst als die Sonne bereits am Horizont rötlich schimmerte, machten sie sich langsam auf den Heimweg.
Noch am selben Abend, völlig überraschend, klopfte es an Akanes Tür. Sie war völlig verwirrt, als dort plötzlich der Schüler vor ihr stand, der sie noch am Morgen desselben Tages so sehr verletzt hatte. Ein blaues Auge und aufgequollene Lippen zierten sein sowieso schon hässliches Gesicht. Ein vor Angst stotterndes „Es tut mir leid“ glitt über seine dicken Lippen, woraufhin er auf die Knie fiel und um Vergebung bat. Er hatte seine gerechte Strafe erhalten, dachte Akane und verzieh ihm ohne lange zu zögern. Im Grunde war sie ihm nicht einmal mehr böse. Überglücklich nicht noch mehr Schläge beziehen zu müssen, aber mit noch immer weichen Knien, sprang der Junge nach Hause, wo er sich in Sicherheit wähnte. Just in diesem Moment kam Ranma an Akanes Zimmertür vorbei. „Dem hast du es aber gezeigt!“, sagte er grinsend. Doch das Lachen verging im schnell, als er plötzlich etwas auf Akanes Tisch stehen sah. „Was ist? Warum schaust du so ernst?“, fragte Akane besorgt. „Dieses Bild auf dem Tisch dort…Kann ich es mir mal aus der Nähe ansehen?“, bat Ranma. Er hatte gar nicht erst auf Akanes Erlaubnis gewartet, im nächsten Moment schritt er bereits an ihr vorbei direkt auf den Tisch zu. Akane beobachtete ihn, als sie näher an ihn getreten war, von der Seite, wie er den Rahmen fest in beiden Händen hielt und das Bild mit weit geöffneten Augen musterte. „Akane, wer ist diese Frau?“, fragte er plötzlich. „Das ist meine Mutter.“, antwortete sie schnell. „Ist alles in Ordnung Ranma?“ „Das kann nicht sein!“, flüsterte er. „ Das kann einfach nicht sein!“
„Sag schon Ranma, was war das gestern?“, stellte Akane ihn am nächsten Tag auf dem Weg nach Hause zur Rede. „Ich sagte doch, es ist nichts!“, antwortete Ranma weiter auf dem Zaun balancierend. „Du konntest dich gestern vielleicht so schnell aus dem Staub machen, aber heute werde ich nicht zulassen, dass du mir entkommst!“, drohte Akane. Ranma erkannte bald, dass es keinen Sinn haben würde, Akane würde nerven, bis sie schließlich davon erfahren würde. „In Ordnung!“, stöhnte er. „Aber bitte geh nicht gleich wieder in die Luft!“, er blieb stehen. „Die Frau auf dem Bild, also deine Mutter, sie sieht auf diesem Bild Haar genauso aus, wie die Frau, die mich in China vor dem Tod bewahrt hatte.“
Ranma erwartete zweierlei Reaktionen seitens Akane. Entweder würde sie wie wild losbrüllen und in mit ihrem riesigen Holzhammer verdreschen, oder aber ihr würden die Tränen in die Augen schießen, was für ihn bedeutend schlimmer gewesen wäre, und sie wäre aufgelöst davongelaufen. Akane jedoch sah einfach nur zu ihm hinauf, weder ein böser Blick, noch ein trauriger, vielmehr überkam eine bleiche Farbe ihr ganzes Gesicht, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte. „Meine Mutter?“, stieß sie schließlich hervor. „Ranma, weißt du was das heißt?“, redete sie befreit weiter. Ranma schüttelte nichts ahnend den Kopf. „Wenn das wirklich wahr ist, und ich glaube es dir aufs Wort Ranma, dann haben wir den Segen meiner Mutter erhalten!“, hopste sie fröhlich wie ein kleines Kind auf und ab. „All die Zeit habe ich mich gefragt, was meine Mutter wohl über unsere Verlobung denken mag…Nun sind meine Sorgen mit einem Mal endlich verflogen, ich habe keinerlei Zweifel mehr, Ranma.“, Ranma wurde, als er all die Worte aus ihrem Mund kommen hörte, rot über beide Ohren, wusste gar nicht, was er antworten sollte. Erst jetzt, wo Akane ihn rot anschwellen sah, schoss es ihr in den Kopf, dass sie zu laut gedacht hatte, schnell war sie ungefähr genauso rot wie er selbst. Ranma sprang den Zaun hinunter neben Akane, die den Kopf zu Boden gerichtet hatte. Er fasste ihr sanft auf die Schulter und sagte: „Komm Akane, Kasumi wartet bestimmt schon mit dem Mittagessen auf uns.“