Sehnsucht

Sie öffnete das Fenster, die ersten Sonnenstrahlen warfen ein fahles Licht ins Zimmer. Langsam ging sie zum Schreibtisch und nahm das Bild in dem kleinen Holzrahmen. Es zeigte sie, ein hübsches junges Mädchen mit einem strahlenden Lächeln. Daneben: ein etwas älterer Junge, der liebevoll den Arm um sie legte. Sanft strich sie über das Glas. Der Tag an dem jenes Foto gemacht worden war, war jetzt genau drei Jahre her. Aber sie kannte ihn schon viel länger, und ebenso lang war sie in ihn verliebt. Sie stellte das Bild wieder an seinen Platz zurück und ging hinaus, heute wollte sie ihn besuchen.
Sie folgte einem kleinen Pfad. In der Hand hielt sie eine rote Rose, die gerade erst aufgeblüht war. Sie brachte ihm immer Rosen, er liebte diese Blumen. Als sie stehen blieb, wehte eine sachte Briese durch ihr Haar. Dann schloss sie die Augen und flüsterte: „Ich vermisse dich…“ Diese Worte spielten sich immer wieder in ihrem Kopf ab, bis ihre Gedanken schließlich von einer Stimme unterbrochen wurden; seiner Stimme. „Ich bin doch da.“, sagte er ruhig. Sie konnte spüren, wie er langsam die Arme um sie schloss, wie er ihr zärtlich über die Wange strich. Ebenso spürte sie seine Wärme auf ihrer Haut und seinen Atem, als er ihr ins Ohr flüsterte: „Ich liebe dich.“ Sie genoss diesen Moment. Ein freudeerfülltes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus und sie umarmte ihn nun ebenfalls. „Ich liebe dich auch.“, sagte sie leise. Dann öffnete sie die Augen. Plötzlich war die Wärme weg und seine Stimme verstummte. Sie legte die Hand auf ihre Wange…keine sanfte Berührung mehr zu spüren. Ihr Lächeln war nunmehr traurig und einsam. Mit den Fingern wischte sie sich die Tränen weg, die wie ein Fluss aus Traurigkeit hinabkullerten. „Vermisse ich ihn wirklich schon so sehr…?“, fragte sie mit tränenerstickter Stimme, während sie die Rose auf seinen Grabstein legte…
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