Fanfic: Wodka Gorbatschow [Teil VI]

Chapter: Wodka Gorbatschow [Teil VI]

Im sanften Licht des Mondes erkannte er sie. Leicht zusammengerollt lag sie auf ihrem Bett... nicht umgezogen, nicht einmal zugedeckt. Lediglich ihr kleines Gesicht kuschelte sie in das Kopfkissen, sodass er nur einen sehr schmalen Teil davon sehen konnte. Auf dem Kissenbezug zeichnete sich ein dunkler Fleck ab. Sofort wusste er, dass es Tränen waren.



„Hey, wach auf.“ Verständnislos weckte er sie in einem eher neutralen, denn vorsichtigen Ton.



Leise gähnte sie. „Was ist denn?“ fragte sie schwach und rieb sich die Augen, die sie in der nächsten Sekunde jedoch mit einem Schlag weit aufriss. „Was willst du?“



Locker schaukelte er die Wodka-Flasche ganz nah vor ihrem Gesicht hin und her.



„Na? Erkennst du das wieder?“



Verblüfft schaute sie zu ihm hoch und richtete sich in einen Sitz auf.



„Das“, fuhr er fort. „Ist unser Kampf. Was ist plötzlich los mit dir? Willst du auf einmal doch aufgeben? Tse... Ich hab’ doch gleich gesagt, dass du nicht lange durchhalten würdest.“



Anstatt lautstarke Proteste von Seiten Akane zu hören, erblickte er, nachdem er langsam ein Auge nach dem anderen öffnete und auf sie richtete, nur zwei fragende und ansonsten nichts aussagende Augen.



„Was ist los??“ Seine Stimme überschlug sich als sie deutlich an Lautstärke zunahm. „Wollten wir nicht kämpfen? Also dann... Lass uns kämpfen.“



In seinem Ton lag etwas Fremdes... etwas Undefinierbares. Noch immer sprach Akane nicht, schaute ihn bloß stumm an und zerlegte die möglichen Ursachen für sein nächtliches Treiben in ihrem Zimmer. Ging es ihm denn tatsächlich nur um den Kampf? Wenn dem so war, weshalb war er dann nicht einfach glücklich über seinen neusten Sieg? Warum konfrontierte er sie mitten in der Nacht mit dieser ziemlich dummen Geschichte?



„Du gibst also auf, ja?“ Mittlerweile hatte er seine Stimme wieder mehr oder weniger unter Kontrolle. Seine Macht über sich selbst reichte immerhin so weit aus, dass seine Worte in einem kalten Ton erklangen. Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, da sich ein dunkler Schatten darüber gelegt hatte, der fast wie ein Schutzfilm wirkte und seine verborgenen Gefühle vor ihr verbarg.



„Man... Sprich endlich mit mir. Sag was!! Willst du aufgeben? Ist es das, was du willst??“



Warum war ihm der Kampf bloß so wichtig?



„Hast du nicht vorhin noch große Reden gespuckt?“



Das machte alles keinen Sinn. Jetzt versuchte er sie auch noch zu provozieren. Hatte er sie denn nicht mittlerweile schon lang genug gekannt, um wissen zu müssen, dass derartige Reden sie nur anstachelten weiter zu machen?



„Du bist also doch nur wie alle anderen Mädchen, he? Vielleicht solltest du das nächste Mal deine Puppensammlung mit in den Dojo nehmen!“



Das war’s. Damit hatte er ihren Ehrgeiz genug angekurbelt, dachte er befriedigt. In einer flüssigen Bewegung erhob sie sich von ihrem Bett und stand direkt vor ihm. Für einen Moment blickte sie ihm ausdruckslos ins Gesicht, dessen ihres jetzt ganz nah war. Ein Grinsen huschte ihm schnell über die Lippen. Bereits dabei, die Flasche hochzuhalten, um das Duell auf ein Neues zu beginnen, war er einen Augenblick unachtsam. Fest und laut traf ihre flache Hand seine Wange. Die Backpfeife ertönte in einem peitschenden Klatschen, das ihn mehr durch die plötzliche Lautstärke, als durch die überraschend große Kraft ihrerseits erschrak.



„A-Akane....?“ fragte er ungläubig und führte seine Fingerspitzen vorsichtig zu seinem Gesicht hinauf. Dann erst warf er einen genaueren Blick in ihres und erkannte die Tränen, den unendlich verletzten Ausdruck in ihren Augen. „Du weinst....?“



„D-du.... du bist so ein Mistkerl, RANMA!!“ Auf ein Neues erhob sie ihre Hand, diesmal jedoch zu einer festen Faust geballt, holte in einer blitzschnellen Bewegung weit aus und schlug sie mit geschlossenen Augen mindestens doppelt so schnell wieder in Richtung seines Gesichts. Doch... irgendetwas stimmte nicht. Es gab keinen Aufprall... Sie konnte ihre Hand kein Stück weiter bewegen.



Zögerlich öffnete sie die Augen. Dann erst erkannte sie es. Ranma hatte sie festgehalten, ließ ihre steinharte Faust einfach und bequem in seine gerundete Handfläche einsinken und bremste ihren Schlag, ohne dass sie es im ersten Augenblick überhaupt bemerkte. Noch immer standen sie so da. Sie mit erhobener Faust, er diese sanft, aber bestimmt von seinem Gesicht wegdrückend. Unlesbar war sein Blick, als er mit seinem Gesicht noch ein Stück näher kam und forschend in ihre angsterfüllten Augen blickte. Er wollte sie provozieren, wollte das unerschütterliche Feuer darin entfachen, den Zorn herauslesen können. Aber nun... nun war da nichts weiter als tiefe, zerrissene Traurigkeit. „..... Warum.....?“



„Du verstehst es nicht..... Du verstehst es einfach nicht.....“ Tränenströme rannen von ihrem Gesicht herab. Sein heißer, tiefer Atem trocknete diese, verursachte jedoch schnell neue, größere Ströme.



„Was war das vorhin...?“ flüsterte er ihr entgegen. Sein Atem brachte ihr Herz zum Rasen. Dass man eine Stimme hören konnte, wusste sie selbstverständlich längst. Aber dass man sie auch auf solche Art spüren konnte, war etwas vollkommen Neues für sie und doch sollte sie jene eben errungene Erfahrung gleich mehrere Male an jenem Abend durchleben. Erstarrt wagte sie es nicht zu seinen Augen hinauf zu sehen und schaute so weit nach unten, wie es ihr Blickfeld zuließ. Sehr weiträumig war dieser durch die geringe Distanz zu Ranma jedoch nicht. So blieb sie mit ihrem Blick an seinem Hals stehen. „Da war doch etwas...“ sprach er wieder in diesem fremden, nicht zu deutenden Ton weiter. Schluckend beobachtete sie, wie sein Adamsapfel mit jeder Silbe leicht erzitterte.



„Ich... ich weiß nicht, was du meinst“, entgegnete sie hastig und versuchte dabei trotzig zu klingen, was ihr jedoch mehr schlecht als recht gelang.



Mit einem Mal wich er ein Stück zurück und ließ sie wieder selbst bestimmen, was ihr Auge als nächstes erfassen sollte. Mit einem leicht ironischen Lächeln drehte er seinen Kopf zur Seite und schüttelte diesen ein klein wenig. „Ich verstehe es ja selbst nicht. Ich meine... Erst komme ich nachhause und du kochst und bist so nett. Auf einmal streiten wir uns wieder und ich weiß nicht mal wieso. Ganz plötzlich fängt es irgendwie immer an.“



„Willst du mir etwa die Schuld dafür geben?“ warf sie nun wieder in ihrer alten Kondition dazwischen.



„Nein...“ hauchte er und schüttelte noch heftiger seinen Kopf. „Nein... Im Gegenteil... Du hast ja so ziemlich alles Erdenkliche getan, um dich heute mit mir nicht streiten zu müssen. Im Gegensatz zu mir hast du dich bemüht..... nett zu sein. Aber ich... ich kann nicht.....“



„Ranma...?“



Sein Blick wurde glasig, leer, schweifte für einige Sekunden weit vom Geschehen ab und verlor sich tief in seinen Gedanken. „Weißt du noch...? Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass wir beide es doch längst wissen. Verdammt noch mal, wir WISSEN ES DOCH!!“



Erschrocken taumelte Akane einen Schritt zurück als er aufgebracht sein Gesicht auf sie richtete und seine Stimme erhob. Er jedoch folgte ihr mit jedem weiteren Schritt, den sie rückwärts stolperte. „Akane... Sag mir, weißt DU es denn? Habe ich mich nur geirrt? Bin ich echt so ein verfluchter Trottel, dass ich mir alles die ganze Zeit über nur eingebildet habe? Hasst du mich denn so sehr??“



„Ich--ich weiß nicht!!“ schrie sie und hielt sich wie vor Schmerz den Kopf mit beiden Händen. Weinend sank sie auf die Knie. „Nein“, flüsterte sie. „Nein, ich hasse dich nicht. Aber.... aber... ich... kann es einfach nicht.“



Wie betäubt blickte Ranma auf sie herab. Sämtliche Energie, die ihn eben noch dazu getrieben hatte, ihr Zimmer zu betreten, lautstark Antworten zu fordern und dabei seine Reize auszuspielen, die er von den Reaktionen der vielen anderen Mädchen, die ihm ständig den Hof machten, nur zu gut kannte, verließ ihn schlagartig. Zurückblieb eine große Ratlosigkeit und Uneinigkeit, die nicht nur sein Gehirn, sondern auch jeden einzelnen Muskel übernahmen. Wie in Trance sah er auf die Flasche in seiner Hand. Es waren nur noch weniger Zentiliter des Wodkas übrig.



Vorsichtig schaute Akane hoch als sie das rostige Knirschen des Schraubverschlusses hörte. Ranma setzte die Flaschenöffnung bestimmt an seinen Mund an und nahm einen kräftigen Schluck. Mit geschlossenen Augen wischte er sich die danebengelaufene Flüssigkeit mit dem Handrücken von seinen Mundwinkeln. Er wirkte konzentriert, als er einen tiefen Atemzug nahm und seine Brauen eng zusammen schob.



„Akane“, sprach er leise, dafür aber entschlossen. „Ich verlange nicht von dir, dass du deine Einstellung zu mir grundlegend änderst. Ich will ja gar nicht, dass du irgendetwas machst, was dich in Verlegenheit bringen könnte. Ich weiß, ich bin ein Schwein, aber... aber ich habe nur einen Wunsch.“



Langsam trat er nach vorne und beugte sich zu ihr hinunter. Nun erkannte sie auch sein Gesicht, das sich von den Schatten der Nacht löste und in diesem Winkel von den Sternen bläulich beleuchtet wurde. In seinem Blick lag eine tiefe, qualvolle Sehnsucht. „Gib mir nur diese Nacht.“



Wo kam dieser Glanz auf einmal her, der sich sanft über seine Augen legte? Dieser helle und doch so dustere Schimmer? Mit runden Augen musterte Akane diese so seltsame Erscheinung ausgiebig und schwieg lange Momente. Seltsam
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