Fanfic: Doppelleben - Kapitel 13 - Teil 2

nein?! Seit dem du hier bist steht mein Leben plötzlich auf dem Kopf!?, schrie Nabiki um so lauter. ?Du solltest einfach nur die Möbel und den Teppichboden abkleben und die Wände streichen! Ist das etwa zu viel verlangt? Wie blöd bist du eigentlich?? Langsam stieg auch in Benjamin die Wut auf. ?Ich bin nicht blöd, verdammt! Ich habe mich gefreut, dir zu helfen, aber du hast mich total unfreundlich behandelt! Und ein wenig Freundlichkeit kann ich ja wohl verlangen, wenn ich mich den ganzen Tag hier abschufte und dein dummes Zimmer streiche, oder?? Benjamins Stimme wurde immer lauter und erreichte zuletzt fast die Lautstärke von Nabikis.

Die Tatsache, dass wohl nicht nur alle im Haus Anwesenden, sondern mittlerweile auch die Nachbarschaft ihren Streit mitbekam, störte sie zu dem Zeitpunkt beide kein bisschen. ?Ohhh, du hast dich abgeschuftet? Die Tatsache, dass ich den ganzen Tag völlig verzweifelt in der Stadt herumgelaufen bin scheint dich ja überhaupt nicht zu interessieren! Ganz abgesehen davon, dass dieses Klebeband alles andere als leicht zu entfernen ist! Und mein Zimmer ist alles, aber nicht dumm! Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh doch!?

Benjamin kochte. ?Oh ja! Das werde ich jetzt auch tun! Solch eine Undankbarkeit habe ich ja noch nie erlebt! Und du bist nicht die Einzige, die gelitten hat!? Mit diesen Worten riss er seinen Verband mit einem gewaltigen Ruck vom Kopf. Ein gewaltiger Schmerz schoss durch seinen Kopf, als hätte ihm jemand ein Messer hineingerammt. ?Na, was sagst du jetzt??, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen und drehte sich um. Noch in der Drehung bemerkte er, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

Er starrte durch das Fenster, welches er vor einer Weile geöffnet hatte, um ein wenig frische Luft zu schnappen, in die Dunkelheit hinaus. Mit einem naiven Erstaunen, als wäre er ein Außenstehender, stellte er fest, dass er keine Kontrolle mehr über seine Beine hatte und sie unter ihm nachgaben.

Nabiki war zur Salzsäule erstarrt und sah mit dem blanken Entsetzen im Gesicht, wie Benjamin vornüber direkt aus dem Fenster kippte. Die Dunkelheit verschluckte ihn, als wäre das Fenster das Maul eines riesigen Ungeheuers. Nabiki hörte, wie Benjamin das Dach hinunterpolterte. Einen kurzen Moment, den Nabiki als eine Ewigkeit voll Angst, Entsetzen und Schuld erlebte, herrschte eine gewaltige, erdrückende Stille.

Dann schlug Benjamins Körper mit einem dumpfen Poltern auf dem Erdboden auf, so dass Nabiki zusammenzuckte. Sie sank auf die Knie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und begann, lauthals zu schluchzen.



Lars stapfte eifrig drauflos und folgte der Schneise, während Alexandra eilig hinter ihm her hastete. Und sie hatten Glück. Die Kugel war einmal komplett durch den Wald gerollt und dann an dem Weg, den sie entlang mussten, liegen geblieben. Die Geschwister kletterten eine kleine Böschung hinauf und setzten ihren Fußmarsch auf dem befestigten Weg fort, was eine große Erleichterung für Beide war.

Gegen späten Nachmittag kamen sie ihrem Ziel immer näher. Schließlich war es beinahe soweit. Lars schaute ein letztes Mal auf die Karte und zeigte dann nach vorne. ?Hinter der Biegung muss es sein!?, rief Lars aufgeregt und zog noch einmal an, ohne die Karte wegzustecken. Mit klopfenden Herzen stürmten die Beiden um die Ecke ? und sahen sich mit einer windschiefen Hütte konfrontiert, vor der ein alter Mann auf einen Stock gestützt auf einer moosbesetzten Holzbank saß.

Verwirrt hob Lars die Karte. ?Hast du sie etwa falsch herum gehalten??, fragte Alexandra bestürzt. Ein Riesenschreck fuhr Lars durch die Glieder, doch dann entspannte er sich wieder. ?Nein, guck!? Sie beugten sich über die Karte und kontrollierten ihren bisherigen Weg. ?Wir sind an jeder Gabelung in die richtige Richtung gegangen!?, stellte Alexandra verwirrt fest. ?Dann muss es wohl hier sein.? Lars runzelte die Stirn.

Also traten sie an den alten Mann heran, der sie zunächst gar nicht registrierte. ?Ähm?Entschuldigung??, fragte Lars zögernd. Er erhielt keine Reaktion. Alexandra hockte sich vor den Mann und legte ihre Hand auf die seinige. Der Alte drehte langsam seinen Kopf und fixierte schließlich ihr Gesicht.

?Ah, hallo meine Hübsche!?, sprach er mit zittriger Stimme. ?Hallo. Wir sind auf der Suche nach dem Teil einer Schriftrolle. Können sie uns helfen?? Mit regungslosem Gesicht fragte der alte Mann: ?Schriftrolle??

Alexandra zog kurzerhand den Teil der Schriftrolle aus ihrer Tasche und drückte ihn dem Mann in die zitternde Hand. Lars rückte misstrauisch ein Stück näher.

Der Alte betrachtete die Rolle eingehend. Ein leichtes Grinsen huschte über sein faltiges Gesicht. ?Nun, der Tag scheint gekommen zu sein. Wurde ja auch mal Zeit, dass jemand vorbeischaut. Happosai soll sie mir schließlich nicht umsonst anvertraut haben.? Seine Stimme zitterte wie eigentlich alles an dem Mann, der schon viele, viele Jahre auf dem Buckel zu haben schien.

Alexandra und Lars schauten sich kurz an. Der Alte drückte Alexandra die Schriftrolle zurück in die Hand und erhob sich daraufhin langsam und mühselig. ?Folgt mir.? Er hustete lange und humpelte dann, auf den Stock gestützt, in die Hütte hinein.

Mit wachsamen Blicken taten die Geschwister, wie ihnen geheißen. Der Mann erwartete sie bereits im dämmrigen Schein einer einzigen Kerze auf einem Baumstumpf sitzend, der zusammen mit zwei weiteren Baumstümpfen ein Dreieck bildete und auf die er nun deutete. In der Mitte der drei Stümpfe befand sich ein weiterer, etwas kleinerer Baumstumpf. ?Setzt euch.? Wieder folgten Alexandra und Lars seinem Befehl.

Daraufhin zog der Alte den mittleren Teil der Schriftrolle hervor und hielt ihn hoch. ?Hier ist, was ihr sucht. Allerdings müsst ihr ein kleines Spielchen mit mir spielen, um es zu bekommen, denn ich liebe Spielchen!? Provozierend fragte Lars: ?Und was ist, wenn wir es uns einfach nehmen?? Der alte Mann lachte. ?Nun, das werdet ihr nicht, denn wo bleibt denn da der Spaß??

Lars verstummte und sah den Mann verwirrt an. ?Das Spielchen ist ein Rätsel. Es ist recht einfach zu verstehen und hat eindeutige Regeln. Es ist euch nicht erlaubt, Fragen zu stellen. Jeder von uns Dreien zieht ein kleines Hütchen und setzt es auf, ohne es zu sehen. Dieses Hütchen kann entweder weiß oder blau sein, wobei von allen drei Hütchen mindestens eines blau ist. Jeder darf die Hütchen der anderen Mitspieler sehen, aber nicht sein Eigenes. Ihr bekommt die Schriftrolle, wenn einer von euch Beiden richtig antwortet. Wer antworten will steht auf. Dann gibt es kein Zurück mehr. Ist die Antwort falsch, verliert ihr. Antworte ich schneller, verliert ihr. Schummelt einer von euch, verliert ihr. Redet jemand, verliert diejenige Partei. Antwortet niemand innerhalb von einer Stunde, verlieren wir alle. Verstanden??

Langsam nickten Alexandra und Lars. ?Nun, dann lasst uns beginnen.? Er griff hinter sich und zog eine große Sanduhr hervor, die er auf den Baumstumpf in ihrer Mitte stellte. ?Hinter jedem von uns steht eine Kiste mit jeweils einem blauen und einem weißen Hütchen. Ihr müsst mir wohl vertrauen, denn jeder greift hinein, sucht sich ein Hütchen aus und setzt es sich auf, ohne den Blick von der Sanduhr zu wenden. Nun los!?

Sofort griffen alle drei hinein und setzten sich nacheinander ein Hütchen auf. Lars Herz pochte wie wild. Alexandra und auch der alte Mann hatten ein blaues Hütchen auf dem Kopf.

Der alte Mann ergriff erneut das Wort. ?Achja, dies ist ein Spielchen auf Leben und Tod. Wer verliert, wird von der Sanduhr getötet.? Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, drehte der alte Mann die Sanduhr herum. ?Die Zeit läuft??, flüsterte er leise und verstummte dann vollständig.

Lars brauchte eine Weile, um sich wieder zu beruhigen. Dann arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Unaufhörlich rieselte der Sand aus der oberen in die untere Hälfte. Nachdem sich ungefähr ein Viertel des Sandes im unteren Teil häufte, herrschte noch immer Totenstille. Lars runzelte die Stirn.

Eine Weile später war bereits die Hälfte des Sandes durchgerieselt, und noch immer war keiner aufgestanden. Lars bemerkte, wie ihm langsam der Angstschweiß ausbrach. Nach einem weiteren Viertel durchgelaufenen Sandes war Lars völlig durchnässt. Doch damit nicht genug, hinzu kam, dass er einen Anflug von Panik verspürte. Konzentrieren wurde ihm unmöglich. ?Bitte, bitte, lass Alexandra die Antwort wissen!?, betete er innerlich.

Doch auch die wirkte zu seinem äußerstem Entsetzen unruhig.

Ungefähr fünfundfünfzig Minuten nach Spielbeginn versuchte Lars angestrengt, die Lösung zu finden. Doch der Druck war so groß, dass es ihm einfach nicht gelingen wollte. Es kam ihm vor, als würde der Sand immer schneller durch die schmale Öffnung rutschen.

Als nur noch ein kleiner Rest Sand über war, klopfte Lars Herz so schnell, dass er fürchtete, es würde gleich explodieren. Plötzlich machte der alte Mann Anstalten, aufzustehen. Lars Herz rutschte ihm in die Hose.

Doch völlig unerwartet schoss Alexandra mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck in die Höhe. Der alte Mann blieb sitzen. ?Ich weiß es! Mein Hütchen ist? ? Lars biss sich auf die Faust ? ?ist?? Alexandra zögerte plötzlich. Lars biss sich so stark in die Hand, dass es anfing zu bluten. Doch er bemerkte es gar nicht, sondern starrte nur seine Schwester an. ?Es ist blau!?, rief Alexandra entschlossen aus.

Vor Erleichterung und Erschöpfung ließ sich Lars seitlich vom Baumstumpf fallen und lächelte selig vor sich hin. Alexandra deutete seine Reaktion falsch und schlug keuchend die Hand vor den Mund. Als der alte Mann aufstand und langsam sein Hütchen vom Kopf nahm, starrte Alexandra ihn mit Tränen in den Augen an.

?Nun, sehr gut mein Kind. Die Antwort war richtig,
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