Fanfic: Elysium
einem Mal in ihren Bann zog. "Ich erinnere mich..." Das Bedürfnis nach Freiheit und ein leichter Widerstand rangen in seinem Kopf, seinem Blick und seiner Stimme. Fassungslosigkeit breitete sich in ihm aus.
Verwundert schaute sie zu ihm auf. Mit geöffnetem Mund setzte sie an, etwas zu sagen, doch just in diesem Moment wurde ihre zarte Stimme von einem lauten Grollen verschluckt. Ein schrilles, lärmendes Quietschen mischte sich darunter, ehe beide Geräusche schlagartig verstummten und nun eilige Schritte auf dem weichen, matschigen Boden zu vernehmen waren.
"Kinder! Endlich haben wir euch gefunden!!"
Erschrocken schauten Akane und Ranma zum Ausgang der Höhle hinüber.
"Paps?" fragte Akane überrascht, als sie die Stimme der im Gegenlicht nur als Schatten erkennbaren Gestalt erkannt hatte.
"Wir haben uns solche Sorgen um euch gemacht. In den Nachrichten wurde über einen Taifun berichtet, der in dieser Gegend tobte. Er riss unzählige Bäume um - so stark war er. Ich bin so glücklich, dass euch nichts passiert ist." Tränenblind fiel Soun seiner jüngsten Tochter um den Hals und überschüttete sie mit Küssen.
An Akanes Gesicht war deutlich ihre Verwirrung abzulesen. "Ranma, was wolltest du--?"
Sobald ihr Verlobter den fragenden Ton aus ihrer Stimme herausgefiltert hatte, drehte er sich eilig von ihr weg. Erstaunt über sich selbst stellte er in seinem Kopf tausend Fragen. Fragen, die sie ihm zu stellen versuchte, welche er aber nicht beantworten konnte. "Warum habe ich das bloß gesagt? Woran soll ich mich denn auf einmal erinnern?" wunderte er sich perplex. Ein starkes Schamgefühl mischte sich in seine Ratlosigkeit. Und Wut. Wut über sich selbst, über seine Dummheit, gewisse Dinge auszusprechen, die besser im Verborgenen bleiben sollten. Wut darüber, dass diese Dinge noch nicht einmal existent waren und er nur für den Bruchteil einer Sekunde meinte, sie zu spüren. Wut darüber, die Ehre als Martial Artist zu verlieren. Und Scham gegenüber Akane, die nun allen Grund hatte, um ihn wieder als abartig oder so etwas zu bezeichnen. Er wollte sich doch nicht so schwach gegenüber anderen zeigen. Ganz besonders sollte Akane ihn nicht von einer solchen Seite kennen lernen. Irritiert drehte er sich wieder zu ihr um. Doch sie war nicht mehr da. An dem Platz, wo sie wenige Minuten zuvor noch friedlich geschlafen hatte, befand sich nur noch sein ausgebeulter Rucksack.
"Komm, mein Kind. Wir fahren sofort nachhause. Sie haben angesagt, dass heute Nacht ein noch viel stärkerer Sturm toben soll."
Als er Souns Stimme vernahm, wirbelte er herum. Der noch immer weinende Mann hatte ihr einen Arm um die Schulter gelegt und schob sie sanft, aber bestimmt nach draußen. Etwas unbeholfen blieb Ranma einige Sekunden stehen und schaute ihnen nach, ehe er sich hastig seinen Rucksack schnappte und ihnen hinterherlief.
"Hey! Heißt das, das Training ist schon beendet?"
Was redete er da auf einmal? Er wollte doch nie auf diese beknackte Trainingsreise zusammen mit Akane. Alles, was er wollte, war doch einfach nur allein zu sein. Sein Kopf versuchte vergeblich seine Schritte zu verlangsamen und seinen Mund zu schließen, doch sein Körper gewann seinen eigenen starken Willen und richtete sich für einen kurzen Moment nicht nach den Befehlen seines Meisters.
"Halt, mein Junge!" Abrupt kam Ranma zum Stehen als sich ihm jemand in den Weg stellte und ihm seine flache Hand entgegenstreckte. Ranma blinzelte gegen das Licht. "Oyaji. Du bist auch hier?"
Genma schaute seinen Sohn ernst an. "Du solltest dich schämen. Willst du etwa deiner zukünftigen Ehefrau den Platz streitig machen?"
Ranma zögerte nicht lange ehe er empört zurückrief: "Was soll der Quatsch schon wieder?! Und was für einen Platz sollte ich ihr denn wegnehmen wollen?"
Räuspernd deutete Genma auf ein großes Objekt, das sich cirka 20 Meter zu seiner Rechten befand. Erst dann erkannte Ranma den dunkelgrünen Pickup. "Was? Wo habt ihr den denn aufgetrieben?"
Auf Ranmas Frage, die unbeantwortet bleiben sollte, folgte eine strenge Ermahnung seines Vaters. "Du wirst hoffentlich keinen Ärger machen und freiwillig hinten aufsteigen. Vorne ist nicht mehr genügend Platz." Mit einem kräftigen Schubs drängte er Ranma auf die Ladefläche zu steigen. Der stolperte jedoch nur wenige Schritte vorwärts und drehte sich dann mit geballten Fäusten wieder zu seinem Vater herum. "Spinnst du Alter? Seit wann brauchen wir solche Teile?? Von mir aus kannst du ja hinten aufsteigen - ich laufe lieber!"
Plötzlich vernahm er Akanes Stimme. Leicht erschrocken wandte er sich zu der Richtung ihres Ursprungs. Soun war gerade dabei, seine immer noch leicht geschwächte Tochter durch die Beifahrertür hinein zu helfen, als sie sich zu Ranma umdrehte. In ihrem Gesicht lag eine ebenso große Verwirrung wie er sie in sich selbst spürte. Ganz sicher war er sich nicht, aber er meinte, sogar auch ein wenig Verzweiflung herauszulesen. Dieser ganze große Zirkus entstand so überraschend - wie eigentlich alles in ihrem Leben - dass sie beide sich sehr überrumpelt fühlten. Sich nicht ganz in die gewechselte Situation einfügend, richtete sie ihre fragenden Augen auf ihn und wehrte sich soweit es ihre Kraft zuließ gegen das permanente Schieben ihres ignoranten Vaters.
"Ranma? Was wolltest du mir sagen?"
Mit offenem Mund blieb er stehen und sah ihr hinterher. "Ich..." begann er. Auf einmal spürte er eine starke Röte, die ihm ins Gesicht stieg, als sich ihre Blicke trafen. Erst jetzt wurde er sich der Intimität wirklich bewusst, die sie in der vergangenen Nacht ausgetauscht hatten. Sie hatten eine ganze Nacht damit verbacht, sich gegenseitig fest zu halten... ohne Streitereien, ohne unangenehme Gefühle. Friedlich und harmonisch schöpften sie eine ganze Nacht lang Kraft und Energie aus der Wärme des fremden und doch so vertrauten Körpers.
"Ranma, bitte sag es mir doch! Ich weiß, dass es etwas Wichtiges war. Das spüre ich." Noch einmal ertönte Akanes heisere Stimme.
"Ich... Ich erinnere mich nicht mehr", gab Ranma nach kurzem Überlegen hilflos zurück und log dabei nicht. Was sie nun wohl von ihm dachte? Hoffentlich nicht, dass er ihr nach der vergangenen Nacht eine Liebeserklärung oder so machen wollte! Schließlich hatte er sie ja nicht freiwillig gehalten, sondern nur, weil er ständig auf diesen Tollpatsch aufpassen musste. Eingeschüchtert wandte er seinen Blick von ihr ab und fuhr mit den Augen hektisch von einer Seite zur anderen. Was waren das bloß auf einmal für komische Gedanken? Wieso wollte er bleiben? Wieso wollte er Akane aus dem Griff ihres Vaters losreißen und sie zurückholen? Er konnte sie doch nicht ausstehen. Sie war doch ein Machoweib. Ein nervendes, brutales, ewig meckerndes und ihn zu Unrecht für alles verantwortlich machendes Machoweib. Erneute Verwirrung überfiel ihn. Nur neben sich stehend erkannte er, wie sie sich endgültig ins Innere des Wagens begab und ihn unverwandt durch das schmutzige Glas ansah, während er sich ohne weitere Gegenwehr von Genma auf die Ladefläche ziehen ließ.
"Kann`s jetzt endlich los gehen?" rief ein ihm unbekannter Mann ungeduldig vom Fahrersitz aus.
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Mit angewinkelten Beinen saß Ranma auf dem feuchten, metallenen Boden des hinteren Wagenteils und stützte sein Kinn auf die Knie. Die ganze weite Fahrt über hatte Ranma kein Wort zu seinem Vater sprechen können. Noch wagte er es, sich umzudrehen, um Akane noch einmal zu sehen. Vielleicht würde der Wind es schaffen, ihm seine Verwirrung zu nehmen und sie mit sich fort zu tragen.
<center>***</center>
...
~Du erinnerst dich.
Wer bist du?
~Das weißt du.
...
~Lange beobachtetest du sie ohne zu sprechen.
~Nach einer Weile gingst du auf sie zu
~und nahmst zärtlich ihre Hand in deine.
Wie reagierte sie?
~Mit einem warmen Lächeln ließest du ihr Schluchzen verstummen
~und zaubertest ein Lächeln auf ihre Lippen.
~Dein Gesicht spiegelte sich in ihren glänzenden Augen wieder,
~doch du erkanntest es nicht, da jener Ausdruck dir bisher fremd war.
Warum befiel er mich?
~Weil ich in dein Leben trat. Sie machte dir ein kostbares Geschenk.
Wer war sie?
~Ein Engel...