Fanfic: Der Kreis der Orokon

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jetzt.




Unter ihnen grummelte es gefährlich.




»Der Donnerer ist wütend auf uns«, murmelte Ucheus.




Rasch, ohne weitere Worte, kletterten die Jungen durch die dichten


Schatten und arbeiteten sich zum Plateau der Stimmen hinauf.




Und Kyra stemmte sich gegen ihr Seil.




»Der Kristall der Javander?«, murmelte der Kleine.




»Das sagte ich«, erwiderte Rajal gereizt. »Wenn du danach suchen würdest,


könntest du uns eine Menge Zeit sparen. Du glaubst doch nicht, dass


Jafirs Zauber uns direkt dorthin führt, oder doch? Dass wir durch


ihn direkt auf dem Blauen Kristall landen?«




Der Kleine konzentrierte sich auf die Kugel und antwortete nicht.




Rajal sah sich missmutig um. Wie satt er den magischen Teppich hatte!


Ihm war der wallende Stoff unter ihm zuwider, der kaum groß genug


war, um sie alle zu tragen. Er hatte den Wind satt, der ihnen ins


Gesicht und durch die Haare wehte, hatte es satt, auf eingeengtem


Raum zu hocken und hungrig zu sein … sehr hungrig.




Wehmütig griff Rajal in die Tasche und angelte den Beutel Goldmünzen


heraus, den ihm Fisch in die Hand gedrückt hatte, unmittelbar, bevor


die Reise losging. Der gute alte Fisch! Sie hätten sich eine Menge


Mahlzeiten leisten können … vorausgesetzt, sie hätten eine gemütliche


Taverne gefunden.




Aber die Chancen dafür standen nicht besonders gut.




Am Abend des vorherigen Tages hatten sie die heißen Wüstenmeere verlassen.


Und in der Nacht nahm die Landschaft unter ihnen einen wässrigen Schimmer


an, in dem sich die kleinen Höcker der Insel dunkel abhoben und hier


und da ein Feuer glomm. Jetzt war es ein strahlender Ton von Ultramarin,


eine blaue Fläche, in der es funkelte, als wären zahllose Diamanten


darauf verstreut worden. Eine Weile hatten sie keine Inseln sehen


können. Hatten sie die Gewässer von Wenaya etwa bereits überflogen?


Rajal spähte vorsichtig über den mit Quasten verzierten Rand des Teppichs


hinweg nach unten. In der einen Richtung sah er nur das offene Meer.


Dann drehte er den Kopf. Und sah Rauchwolken.




»Seht mal, da!« Er setzte sich ruckartig auf.




»Was? Was denn?« Jem wachte auf.




»He! Bringt den Teppich nicht so zum Schaukeln!«, protestierte der


Kleine und griff nach der Kugel, bevor sie über den Rand rollen konnte.




»Der Berg da …!« Rajal streckte die Hand aus. »Er brennt.«




Sie drehten alle die Köpfe in die angegebene Richtung. Eine dünne Rauchwolke


stieg in den Himmel auf. Sie drang aus dem Gipfel eines bewaldeten


Berges. Die Insel war noch weit weg, und ansonsten war weit und breit


kein Land zu sehen.




Jem gähnte und streckte sich. »Raj, das ist nur ein Vulkan.«




»Ein was?«, erkundigte sich Raj. »Jem, wann hast du denn schon einmal


einen solchen Berg gesehen?«




»Nun, auf einem Bild«, erwiderte Jem. »Er raucht, das ist alles.«




»Wie ein Tobarillo?«, erkundigte Rajal sich zweifelnd. »Und warum tut


er das?«




»Explodiert er nicht auch?«, wollte der Kleine wissen. »Ich meine,


jedenfalls manchmal. Ich habe so etwas in der Kristallkugel gesehen.«




»Ich werfe das Ding gleich über Bord«, sagte Rajal. »Es funktioniert


ja sowieso nicht.«




»Natürlich funktioniert es«, erklärte der Kleine. Er rutschte in der


Hocke hin und her und starrte weiter in die Kugel. »Es hat nur bisher


noch nicht funktioniert.«




Rajal verdrehte die Augen. »Wie kommt es nur, dass ein Dschinn, der


uns durch die halbe Welt über den Himmel fliegen lassen kann, dieses


kleine Gör - ganz zu schweigen von seinem Köter - nicht davon abhalten


konnte, mit uns auf den Teppich zu klettern?«, fragte er dann laut.


»Wie sollen wir den Kristall der Javander finden, wenn wir uns die


ganze Zeit um diese Nervensäge kümmern müssen?«




»Der Kleine war immer ein guter Freund«, erinnerte ihn Jem.




»Er ist ein Baby und hat auch noch seinen Hund mitgeschleppt.«




Die Augen des Kleinen blitzten. In seinem kurzen, aber turbulenten


Leben hatte er schlimmere Beleidigungen als diese zu hören bekommen.


Vor Rajal hatte er keine Angst. »Ich bin wenigstens nicht derjenige,


der nicht mal weiß, was ein Vulkan ist«, erwiderte er hochnäsig. »Jem,


ich habe dir doch aus der Traumdimension geholfen, hab ich Recht?


Ich wette, ich habe mich aus mehr Klemmen herausgewunden, als ihr


beide zusammen erlebt habt. Ich bin schon so lange ein Dieb, wie ich


denken kann, und ich denke schnell und bin auch schnell zu Fuß. Und


jetzt«, fügte er stolz hinzu, »habe ich eine magische Kristallkugel.


Ihr werdet sehen, ich bin mein Gewicht noch in Gold wert.«




Rajal wog den Beutel mit Gold in der Hand. »Jem, wie viel glaubst du,


wiegt der Kleine?«




Jem ignorierte ihn. »Ich bin sicher, dass du das tust, Kleiner. Und


Regenbogen auch, hm?«




Er fuhr dem Hund lächelnd durch das gestreifte Fell. Ob der Kleine


und sein bunter Freund ihnen helfen oder sie behindern würden, spielte


keine Rolle. Sie konnten nicht umkehren. Die vier steckten zusammen,


und gemeinsam flogen sie der Gefahr entgegen.




2. Ultramarin




»Dummkopf, sei vorsichtig mit diesem Speer …«




»Es liegt an meinen Augen. Mir ist schwindlig …«




Ojo und Ucheus standen auf dem Plateau der Stimmen. In Wahrheit war


es gar kein richtiges Plateau, sondern eher ein Felsvorsprung, der


sich über einem ultramarinblauen Meer erhob. Ucheus legte den Speer


weg, hielt Kyras Seil aber weiter fest. Er verzog das Gesicht und


beschattete seine Augen. Er sah, dass sich weiter oben am Himmel der


Rauch des Vulkans über der Insel sammelte und langsam über den wolkenlosen


Himmel zog. Unter ihnen schäumte die Brandung gegen die Felsen.




»An einem solchen Morgen kann man sich kaum vorstellen, dass wir jemals


den Blauen Sturm erlebt haben«, sagte er leise.




»Sie uns doch an«, erwiderte Ojo verbittert. »Sagt dir nicht allein


dieser Anblick, dass dieser Sturm real gewesen ist?«




Ucheus musste ihm Recht geben. Nur ein Mondleben war seit der Nacht


des Sturms verstrichen, aber bereits jetzt kam ihnen die Zeit davon


unendlich weit entfernt vor. Was für eine schreckliche Magie in dieser


Nacht am Werk gewesen war! Er blickte über das Meer und dachte erneut


an die peitschenden Winde und die blauen Blitze, die Inorchis verschlugen


hatten, ihre Heimatinsel. »Manchmal frage ich mich, ob sie noch da


ist - und wir sie einfach nur nicht mehr sehen können.«




»Was denn?«




»Inorchis natürlich. Was sonst?«




Ucheus seufzte, und Ojo antwortete ihm mit einem Stöhnen. Allein die


Erwähnung des Namens ihrer verlorenen Heimat stimmte ihn traurig.


Resigniert nahm der stämmige Jugendliche Kyras Seil und band die Färse


an einen Steinvorsprung am Opferfelsen fest. »Uchy«, sagte er freundlicher


als zuvor.




»Sammle ein bisschen Feuerholz! Leki könnte mittlerweile wach sein.


Wenn er sieht, dass Kyra weg ist, erkennt er vielleicht, was wir vorhaben,


hm?«




Sie arbeiteten schweigend und zerrten an der trockenen, salzigen Vegetation,


die aus den Ritzen des Felsvorsprungs wuchs. Neben der Felsplatte


befand sich eine flache Grube, die von unzähligen Feuern geschwärzt


war. Als sie die Grube gefüllt hatten, fischte Ojo die Feuerlinse


aus einer Tasche seines Wamses. Er stellte sich mit gespreizten Beinen


über die Zweige und Blätter. Während er die Sonnenstrahlen bündelte,


verzerrte sich sein Gesicht vor Konzentration, als wäre es sein Verstand


und nicht die Sonne, die das Holz entzündete.




Kyra muhte Mitleid erregend, als wüsste sie genau, wofür das Feuer


diente. Aber sie war zu schwach, um sich zu wehren. Ucheus schluckte,


als er sah, wie ihre großen, traurigen Augen blinzelten.




Hinter dem Felsvorsprung gähnten die hundert Mäuler der Sibylle. Es


waren eigentlich Hunderte von Löchern in einer blanken Felswand. Das


größte hatte etwa den Umfang eines Menschenkopfes. Ucheus zitterte


nicht zum ersten Mal beim Anblick dieser Löcher, die so finster und


drohend unter dem sonnenüberfluteten Plateau lagen. Einige behaupteten,


die Löcher würden weit unter das Meer reichen, vielleicht sogar bis


in die Tiefen der Welt.




Die Blätter begannen zu qualmen. Ojo schob die Feuerlinse in seine


Tasche zurück. Die Jungen warfen sich Blicke zu, und Ojo schluckte.


Würde er das wirklich schaffen? Sein Vater mochte ja ein Priester


von Aroc gewesen sein, aber was spielte das schon für eine Rolle?


Keiner der beiden Jungen hatte zuvor schon einmal eine Opferung gesehen,


geschweige denn, selbst eine vollzogen. Auf Inorchis hatten nur Männer


daran teilnehmen dürfen, die schon die Prüfungen abgelegt hatten.


Aber Ojo wusste, dass er weitermachen musste. Sollte Ucheus doch auf


Maius Eneo vertrauen, Ojo würde es ihm schon zeigen … Ja, er würde


es ihm zeigen!




Er hob den Speer auf. Kyra wich zurück.




»Nicht mit dem Speer,
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