Fanfic: Das Spiel der Götter 2
Chapter: Das Spiel der Götter 2
Das Spiel der Götter 02
Eine Korkenzieherschwade aus Staub huschte durch die Mulde, bewegte
sich tiefer in die pfadlose Einöde der Pan`potsun-Odhan hinein. Obwohl
sie kaum zweitausend Schritte entfernt war, schien die Schwade aus
dem Nichts geboren.
Von seinem erhöhten Aussichtspunkt am windzerzausten Rand der Hochebene
aus sah Mappo Runt ihr mit harten Augen nach, Augen, die die Farbe
des Sandes hatten und tief in ihren Höhlen in einem blassen Gesicht
mit ausgeprägten Wangenknochen lagen. In seiner Hand, deren Rücken
mit dicken Borsten bewachsen war, hielt er ein Stück Emrag-Kaktus,
und er scherte sich nicht um die giftigen Dornen, als er hineinbiss.
Blauer Saft rann sein Kinn hinunter. Er kaute langsam und nachdenklich.
Neben ihm schnippte Icarium einen Kieselstein über den Rand der Klippe,
der klickend und klackernd den Hang hinunterhüpfte und erst an dessen
geröllübersätem Fuß liegen blieb. Er trug die zerrissenen Gewänder
eines Geistergängers, deren ehemals leuchtendes Orange von der Sonne
zu einem staubigen Rostrot ausgeblichen war, und das, was von seiner
grauen Haut zu sehen war, hatte mittlerweile einen dunklen olivgrünen
Farbton angenommen, als ob das Blut seines Vaters dem Ruf dieses Ödlands
geantwortet hätte. Schweißtropfen fielen aus seinen langen, zusammengeflochtenen
schwarzen Haaren auf den gebleichten Felsen.
Mappo zupfte einen zermalmten Dorn zwischen seinen Vorderzähnen heraus.
»Dein Färbemittel zerläuft«, stellte er fest, während er das Stück
Kaktus einen Augenblick beäugte. Dann biss er wieder davon ab.
Icarium zuckte die Schultern. »Das spielt keine Rolle mehr. Zumindest
nicht hier draußen.«
»Nicht einmal meine blinde Großmutter hätte dir deine Verkleidung abgekauft.
In Ehrlitan sind uns pausenlos Blicke gefolgt. Ich habe sie Tag und
Nacht über meinen Rücken kriechen gespürt. Schließlich sind Tannos
meistens klein und o-beinig.« Mappo riss den Blick von der Staubwolke
los und betrachtete seinen Freund. »Das nächste Mal suchst du dir
bitte einen Stamm aus, dessen Mitglieder alle sieben Fuß groß werden«,
knurrte er.
Über Icariums faltiges, wettergegerbtes Gesicht huschte etwas, das
die Andeutung eines Lächelns gewesen sein mochte, dann nahm es wieder
den gewohnten, selbstgefälligen Ausdruck an. »Jene im Reich der Sieben
Städte, die etwas von uns wissen können, wissen jetzt sicherlich von
uns. Jene, die keine Ahnung haben, wer wir sind, werden sich vielleicht
über uns wundern; aber mehr werden sie auch nicht tun.« Im grellen
Licht blinzelnd, nickte er in Richtung der Staubfahne. »Was siehst
du, Mappo?«
»Einen flachen Kopf, einen langen Hals, und überall schwarz behaart.
Wenn`s nur das wäre, würde diese Beschreibung glatt auf einen meiner
Onkel zutreffen.«
»Aber da ist noch was.«
»Ein Bein vorne und zwei hinten.«
Icarium rieb sich nachdenklich den Nasenrücken. »Also keiner von deinen
Onkeln. Ein Aptorian?«
Mappo nickte langsam. »Es dauert noch Monate bis zur Konvergenz. Ich
nehme an, Schattenthron hat irgendwie gerochen, was da kommt, und
ein paar Kundschafter losgeschickt …«
»Und der da?«
Mappo grinste, entblößte dabei mächtige Eckzähne. »Der hat sich ein
bisschen zu weit vorgewagt. Das ist jetzt Sha`iks Schoßtier.« Er war
mit seinem Kaktus fertig und rieb sich die gewaltigen Hände, dann
stand er auf. Als er den Rücken krümmte, zuckte er zusammen. Vergangene
Nacht waren im Sand unter seiner Bettrolle unerklärlicherweise Unmengen
von Wurzeln verborgen gewesen, und jetzt erinnerten ihn die Muskeln
links und rechts seiner Wirbelsäule an jeden Knoten und jede Windung
der baumlosen Knochen. Er rieb sich die Augen. Ein kurzer Blick an
sich hinunter offenbarte ihm den zerrissenen und schmutzverkrusteten
Zustand seiner Kleidung. Er seufzte. »Man sagt, dass irgendwo hier
draußen eine Wasserstelle sein soll …«
»Um die herum Sha`iks Armee ihr Lager aufgeschlagen hat.«
Mappo grunzte.
Icarium streckte sich ebenfalls und musterte bei dieser Gelegenheit
einmal mehr die mächtige Gestalt seines Gefährten; er war groß, selbst
für einen Trell, mit breiten, schwarz behaarten Schultern, langen,
mit kräftigen Muskelsträngen bepackten Armen und der Erfahrung von
tausend Jahren, die gelegentlich wie ein ausgelassener Bock in Mappos
Augen herumsprang. »Kannst du ihn verfolgen?«
»Wenn du willst.«
Icarium schnitt eine Grimasse. »Wie lange kennen wir uns jetzt schon,
mein Freund?«
Mappo warf ihm einen kurzen, scharfen Blick zu, dann zuckte er die
Schultern. »Sehr lange. Warum fragst du?«
»Ich kann den Widerwillen in deiner Stimme sehr wohl hören. Beunruhigt
dich der Gedanke?«
»Jede Möglichkeit, mit einem Dämon aneinander geraten zu können, beunruhigt
mich, Icarium. Mappo Trell ist scheu wie ein Hase.«
»Mich treibt die Neugier.«
»Ich weiß.«
Das ungleiche Paar drehte sich zu dem kleinen Lagerplatz um, der versteckt
zwischen zwei hoch aufragenden Felsnadeln lag, die der Wind geformt
hatte. Sie hatten keine Eile. Icarium setzte sich auf einen flachen
Felsen und machte sich daran, seinen Langbogen einzuölen; er wollte
verhindern, dass das Hornholz austrocknete. Nachdem er mit dem Zustand
der Waffe zufrieden war, wandte er sich seinem einschneidigen Langschwert
zu. Er zog die uralte Waffe aus ihrer mit Bronzebändern umwickelten
Scheide aus bearbeitetem Leder und begann, mit einem eingeölten Wetzstein
an der schartigen Klinge entlangzufahren.
Mappo brach das Fellzelt ab und faltete es willkürlich zusammen, dann
stopfte er es in seinen großen Lederbeutel. Das Kochgeschirr folgte,
ebenso wie die Decken. Er zog die Verschnürung zu und hängte sich
den Beutel über eine Schulter, dann warf er einen Blick zu Icarium
hinüber, der den Bogen bereits wieder eingewickelt und auf seinem
Rücken befestigt hatte, und nun auf ihn wartete.
Icarium nickte, und die beiden Gefährten - der eine ein Jaghut-Halbblut,
der andere ein reinrassiger Trell - begannen den Pfad hinabzusteigen,
der sie hinunter ins Becken führen würde.
Am Himmel über ihnen leuchteten die Sterne. Ihr Licht reichte aus,
um die Trockenpfanne des Beckens silbern zu färben. Die Blutfliegen
waren zusammen mit der Tageshitze verschwunden und hatten die Nacht
den gelegentlich auftretenden Schwärmen von Kapmotten überlassen,
sowie den fledermausähnlichen Rhizan - geflügelten Echsen, die sich
von ihnen ernährten.
Mappo und Icarium machten im Hof einer alten Ruine Rast, um sich etwas
auszuruhen. Die Tonziegel-Wände waren fast völlig abgetragen worden;
nur knapp schienbeinhohe Reste waren übrig geblieben, die sich in
einem geometrischen Muster um eine alte, längst ausgetrocknete Quelle
zogen. Der Wind hatte feinkörnigen Sand herbeigeweht, der nun die
Pflastersteine des Hofs bedeckte, und Mappo hatte den Eindruck, als
ginge ein leichtes Schimmern von ihm aus. Zerzaustes Gestrüpp klammerte
sich mit knorrigen Wurzeln am Rand des Hofes fest.
Sowohl in der Pan`potsun-Odhan als auch in der Heiligen Wüste Raraku,
die sich in Richtung Westen anschloss, gab es unzählige solcher Überbleibsel
längst vergangener Zivilisationen. Mappo und Icarium hatten auf ihren
Reisen hohe Tels gefunden - Hügel mit völlig ebener Kuppe, die aus
Schicht um Schicht übereinander gebauter Städte bestanden; diese Tels
zogen sich in einer annähernd geraden Linie fünfzig Längen weit zwischen
den Hügeln und der Wüste dahin, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass
hier, wo sich jetzt ein trockenes, windgepeitschtes Ödland befand,
einst eine reiche, blühende Zivilisation existiert hatte. In der Heiligen
Wüste hatte die Legende von Dryjhna, der Apokalyptischen, ihren Ausgang
genommen. Mappo fragte sich, ob das Unglück, das die Städte dieser
Region mitsamt ihrer Bewohner befallen hatte, vielleicht in irgendeiner
Weise zu dem Mythos einer Zeit der Verwüstung und des Todes beigetragen
hatte. Denn mit Ausnahme der verlassenen Landsitze, auf die man gelegentlich
stieß - auch dieser Ort, an dem sie sich gerade befanden, war einer
davon -, zeigten viele Ruinen die Spuren gewaltsamer Zerstörung.
Mappo schnitt eine Grimasse, als seine Gedanken sich plötzlich in vertrauten
Bahnen bewegten. Nicht alles, was vergangen ist, kann zu unseren Füßen
ausgebreitet werden, und wir sind hier und jetzt nicht näher dran,
als wir es jemals an einem anderen Ort gewesen sind. Und ich habe
nicht den geringsten Grund, meinen eigenen Worten nicht zu glauben.
Er wandte seine Gedanken anderen Dingen zu.
Fast in der Mitte des Hofes stand eine einzelne Säule aus rosa Marmor.
Die eine Seite war pockennarbig und geriffelt; sie trug die Spuren
der Winde, die unaufhörlich aus der Raraku in Richtung der Pan`potsun-Hügel
wehten. Auf der windabgewandten Seite der Säule hatte sich noch