Fanfic: Doppelleben - Kapitel 11

fast erreicht, und die Schiebetür gab immer noch nicht nach. Langsam drehte Alexandra sich um, ihre Schultern hoben und senkten sich immer schneller und schneller.


Plötzlich entstand in Lars Kopf aus dem Nichts eine Idee. Schnell flüsterte er Alexandra zu: „Bleib so stehen!“ Er wusste nicht, ob sie ihn gehört hatte, denn sie reagierte nicht sondern starrte nur weiter den Mann, der auf sie zukam, an. In dem Augenblick, in dem der Schaffner einen weiteren, letzten Schritt nach vorne machte, packte Lars blitzschnell den oberen Rahmen der Öffnung und schwang sich schreiend und mit durchgestrecktem Bein hindurch. Sein Schrei war eine Mischung aus Verzweiflung, Wut und Schmerz, da sich einige Glasreste am Rahmen des Fensters tief in seine Hand bohrten.


Haarscharf sauste sein Bein an Alexandras Kopf vorbei, die ihm selben Augenblick vor Schreck zur Seite taumelte. Der Schaffner hatte keine Zeit mehr zu reagieren und bekam krachend Lars Fuß in sein Gesicht. Ein weiterer ohrenbetäubender Schuss löste sich und verfing sich irgendwo in der Decke. Gleichzeitig fiel der Mann in Lars Geschrei ein, jedoch allein vor Schmerz.


Er taumelte nach hinten und hielt sich die Nase, aus der Blut hervorsprudelte und die mit einem Mal seltsam schief wirkte. Lars betrachtete ihn keuchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht. Das wutentbrannte und leidende Schreien nahm er nur aus größter Ferne war. Komischerweise empfand er plötzlich ein wenig Mitleid mit dem Mann.


„Bitte, hören sie auf damit! Es ist ja gar nicht so, dass wir ihnen keinen Respekt erbringen wollen!“, versuchte Lars keuchend, den Mann von seinem blutigen Plan abzubringen. „Hätten wir mehr Zeit gehabt, unsere Reise zu planen und wären die Ereignisse nicht so dringend, hätten wir natürlich Fahrkarten gekauft! Wir können ihnen das Geld auch am Ende der Fahrt zukommen lassen!“


Langsam verebbten die Schreie des Schaffners, doch Lars Überredungsversuche ließen ihn anscheinend kalt. Also drehte Lars sich um und versuchte erneut, die Tür zum Öffnen zu bewegen. Schließlich gab er es fluchend auf. „Verdammtes Teil!“, rief er und trat kräftig dagegen. Wieder rüttelte er am Türgriff und plötzlich gab sie problemlos nach.


„Ha! Ein Tritt kann manchmal Wunder bewirken!“, grinste er und packte Alexandra am Arm, die mehr oder weniger verstört an der Seite stand.


Als sie das nächste Abteil betraten und hindurch stürmten, rief hinter ihnen plötzlich jemand: „Hey, könnten sie sich vielleicht ein bisschen gesitteter durch den Zug bewegen?“ Erschrocken blieben sie stehen und fuhren herum.


Ein junger Mann mit kurzen Haaren und Brille auf der Nase sah sie tadelnd an. Er deutete auf einen Palm mit tragbarer Tastatur vor sich auf dem Schoß und meinte: „Ich würde nämlich gerne meine Fanfiction weiterschreiben, ohne dabei von brüllenden Orang-Utans abgelenkt zu werden!“


Alexandra trat vor und war eindeutig wütend. „Ach ja? Dann versuchen sie das mal dem irren Schaffner zu erklären, der mit einer Pistole hinter uns her ist!“


Als der Reisende Alexandra erblickte, veränderte sich seine Miene ein wenig. Er errötete leicht und stotterte: „Äh, ja...Schaffner? Der kontrolliert die Fahrkarten!“ Lars musste grinsen. Der Mann war ihm gleich sympathisch gewesen, und irgendwie hatte er das dumpfe Gefühl, ihn zu kennen. Aber ihm fiel beim besten Willen nichts Genaueres über ihn ein.


„Das weiß ich selber! Und jetzt spielen sie sich hier mal nicht so auf, nur weil sie ihre....äh....dieses...diesen Schrott schreiben wollen!“, keifte Alexandra ihn an. Doch da hatte sie einen wunden Punkt berührt. Der junge Mann schnellte hoch und starrte sie wütend an. Er packte den Palm samt Tastatur und legte ihn neben sich auf den Sitz. „Das ist kein Schrott! Das ist Literatur mit teilweise äußerst qualitativem Wert, kapiert?“ Alexandra winkte ab. „Ach was! Öhm...können sie mir das mal erklären?“, wurde sie plötzlich unerwartet freundlich und ließ sich auf der Kante der Sitzbank gegenüber dem jungen Mann nieder.


„Du darfst mich ruhig duzen. Das darf ich doch auch, oder?“ Ein Nicken von Alexandras Seite bestätigte ihn. „Ich bin Benjamin Waller, du kannst mich aber einfach Benni nennen. Verrätst du mir auch deinen Namen?“, fragte er lächelnd.


Lars hörte dem Gespräch nicht weiter zu, denn auf der anderen Seite des Abteils öffnete sich die Schiebetür und der Schaffner trat ein. „Ähm...Alexandra?“, fragte er, ohne den Blick von dem ihn hasserfüllt anstarrenden Mann zu nehmen, der langsam aber sicher auf ihn zu kam.


„Nicht jetzt, Lars! Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin!“, erwiderte sie ärgerlich und wandte sich dann wieder Benjamin zu. Vollkommen verblüfft drehte er den Kopf und starrte sie ungläubig an. Dann zuckte er die Schultern und setzte sich einfach neben sie. Mit pochendem Herzen starrte er dem Schaffner entgegen, der sich weiter näherte.


Dann zwang er sich, an Alexandra vorbei aus dem Fenster zu starren. Er hörte die Schritte des Mannes immer näher kommen und schließlich verharren. Aus den Augenwinkeln sah er, dass der Schaffner jetzt direkt vor den beiden Sitzbänken stand, auf denen sie Platz genommen hatten. Alexandra und Benjamin schienen davon gar keine Notiz zu nehmen.


Lars hatte das Gefühl, dass sein Herz im nächsten Augenblick zerbersten würde vor Aufregung, sein Adrenalinspiegel stieg ins Unermessliche. „Die Fahrkarten bitte!“, knurrte der Schaffner, woraufhin Alexandra schlagartig verstummte.


Benjamin runzelte die Stirn und zog seine Fahrkarte erneut aus einem Rucksack neben ihm. Er hielt sie dem Schaffner hin, doch der tat, als würde Benjamin gar nicht existieren und starrte Lars und Alexandra weiter an.


Langsam drehte Lars seinen Kopf wieder und folgte wie gebannt der Handlung, die sich vor seinen Augen abspielte. Benjamin wurde langsam unsicher, der Anblick des Schaffners trug einiges dazu bei.


„Ähm...Entschuldigung? Sie...sie bluten aus der Nase!“, machte er den Mann stockend auf eine Tatsache aufmerksam, die der nur zu gut wusste. Ohne ein Wort zu erwidern schlug der Schaffner Benjamin die Fahrkarte aus der Hand.


Der zuckte schließlich die Schultern und verstaute die Fahrkarte wieder in seinem Rucksack. Dann wanderte sein Blick zu Lars und Alexandra. „Ach, habt ihr keine Fahrkarten? Ich würde euch ja gerne aushelfen, aber ich bin wie immer pleite!“, grinste er schief und entschuldigend.


„Trotzdem danke für deine Hilfe!“, brachte Lars mit rauer Stimme über die Lippen. Urplötzlich und für ihn völlig unerwartet versetzte der Schaffner ihm einen Schlag direkt ins Gesicht. Alexandra schrie entsetzt auf, als Lars stöhnend von der Bank rutschte und anschließend in die Knie sank.


Benjamin drückte sich erschrocken und mit weit aufgerissenen Augen in die Ecke der Bank. Plötzlich sprang Alexandra auf und rannte dem völlig überrumpeltem Schaffner mit dem Kopf zuerst in den Bauch, so dass er nach Luft schnappend hintenüber fiel.


Die Pistole segelte durch die Luft, schlug klappernd auf dem Boden auf und verschwand dann unter einer Sitzbank. „War nett, dich kennen gelernt zu haben!“, lächelte Alexandra den völlig perplexen Benjamin an, während sie Lars hoch half. Dann verschwanden die Beiden durch die Schiebetür und ließen einen völlig verwirrten jungen Mann hinter sich, der sich ungläubig die Augen rieb, kurz einen Blick auf den am Boden liegenden Schaffner warf, sich wieder hinsetzte, nur um Sekunden später erneut den Schaffner anzustarren, der nun zwischen zwei Sitzbänken auf dem Boden lag und anscheinend nach seiner Pistole suchte.


Benjamin setzte sich wieder und schüttelte benommen den Kopf. Dann grinste er und meinte zu sich selbst: „Wow! Hoffentlich treffe ich Alexandra mal wieder...Da kommt mir doch glatt eine Idee für eine Fanfiction...“, sprach er und legte sich seinen Palm wieder auf den Schoß.




Lars und Alexandra liefen, eine Blutspur hinter sich lassend, keuchend weiter durch den Zug, bis sie irgendwann völlig erschöpft am Ende angelangt waren. „Verdammt! Und was jetzt?“, presste Lars durch seine zusammengebissenen Zähne hindurch. Alexandra atmete erst noch einige Male tief ein und aus und antwortete dann: „Keine Ahnung!“


Aber Lars hatte schon eine Tür entdeckt, die wohl in das Cockpit des Zuges führte. Er versuchte sie zu öffnen, doch sie war verschlossen. Mit entschlossener Miene ging er einige Schritte zurück und warf sich mit aller Kraft dagegen. Die Tür bebte in ihren Angeln, ließ aber nicht nach. Mit großen Augen sah Alexandra Lars dabei zu, wie er sich erneut dagegen warf.


„Aber...was bringt uns das?“, fragte sie verstört. „Keine Ahnung! Aber vielleicht können wir den Zugführer zum Anhalten bewegen!“, erwiderte Lars verbissen und warf sich erneut gegen die Tür. Plötzlich barst das Türschloss mit einem lauten Krachen, so dass Lars die Tür einfach öffnen konnte.


Lars und Alexandra sahen sich einem Zugführer gegenüber, der sie mit großen, ein wenig ängstlichen Augen ansah. Er schluckte sichtbar und fragte dann mit zitternder Stimme: „K-Kann ich ihnen helfen?“


„Ja, das können sie!“, antwortete Lars. „Da ist nämlich ein verrückter Schaffner mit einer Pistole hinter uns her, weil wir keine Fahrkarten haben!“ Stirnrunzelnd warf der Mann kurz einen Blick nach vorne durch die Windschutzscheibe und wandte sich dann wieder ihnen zu. „Ihnen ist doch sicherlich klar, dass es illegal ist, schwarz zu fahren? Und erst recht illegal, in das Cockpit eines Zuges einzubrechen?“


Lars verdrehte stöhnend die Augen. „Ja, natürlich! Das tut uns ja auch leid, aber darum geht es doch jetzt gar nicht! Der Schaffner ist hinter uns her! Mit einer Pistole!“, rief er
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