Fanfic: Shades of Moonlight
verschwand.
Ich bin seit dem nie wieder zum Kaitou geworden und auch Noin hat sich nicht
mehr blicken lassen. Ich weiß nicht, wie ich es die letzten fünfzehn Jahre,
heute ist ihr Todestag, ausgehalten habe, was mich am Leben erhalten hat. Am
Anfang waren es vielleicht Miyako und Yamato, die mich ein wenig stützten und
mit denen ich meine Trauer teilen konnte. Doch haben sie nie die ganze Wahrheit
erfahren...Sie haben vor Jahren schon die Stadt verlassen. Der einzige, der mir
noch geblieben ist, ist Access. Auch wenn er schon seit langem wieder im Himmel
ist, kommt er mich doch manches Mal besuchen.
Es ist Abend, wieder kurz vor Sonnenuntergang. Es ist schon wie ein Ritual für
mich, jeden Abend auf den Balkon zu gehen, und der Sonne auf ihrem Weg hinter
den Horizont zuzusehen. So begebe ich mich auch heute dort hin, um meinen
Gedanken nachzuhängen.
Plötzlich sehe ich, wie mir eine bläulich leuchtende, kleine Kugel
entgegenschwebt. Es ist Access! Ich freue mich über seinen Besuch, denn er weiß
jedes Mal etwas neues zu erzählen. Mittlerweile ist er zu einem „wahren Engel“
geworden und seine menschengroße Gestalt wirkt sehr imposant. Wir sitzen
gemeinsam auf dem Balkon und schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen.
Ohne jegliche Vorwarnung fliegt uns ein Geschoss entgegen, dem wir beide nur mit
äußerster Mühe ausweichen können. Ich höre ein gehässiges Lachen und ich weiß,
wer dafür verantwortlich ist. Die Wut steigt in mir auf und droht mich zu
überschwemmen.
Da kommt er auch schon! NOIN!
Mit Access’ Hilfe verwandle ich mich nach so langer Zeit wieder in Sindbad.
Endlich ist die Zeit gekommen, Marons Tod zu sühnen, endlich kann ich mich von
der Last befreien, dieses Monster damals entwischen lassen zu haben!
Er schwebt vor uns und ein böses Grinsen ziert sein Gesicht. Nun hält mich
nichts mehr. Ich bin mir meiner Fähigkeiten durchaus noch bewusst! Mit einem
Schrei der Wut und auch der Verzweiflung, die die aufwallende Erinnerung mit
sich bringt, stürze ich mich auf dieses Ungeheuer. Meinen Dolch habe ich in der
Hand, bereit zuzustechen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.
In einer Umklammerung wie ein Liebespaar fallen wir zu Boden. Ich lande auf ihm,
aber mit einem Energiestoß schleudert er mich einige Meter zurück. Er ist stark,
das weiß ich und er weiß es auch; das könnte seine Schwäche sein.
Wir kämpfen lange und erbittert, doch keiner zeigt dem Gegenüber eine Blöße.
Immer wieder fügen wir einander kleinere Verletzungen zu, doch keinem von uns
ist bis jetzt der große Schlag gelungen. Es ist ein schwerer Kampf und ich weiß,
dass es vielleicht der letzte ist, den ich ja austragen werde...
Als es ungünstig um mich steht, kommt mir plötzlich Access zu Hilfe, der sich
eigentlich nicht einmischen wollte. Ich brülle ihn an, dass es mein Kampf sei
und er sich gefälligst rauszuhalten habe, worauf er sich ein wenig gekränkt
zurückzieht. Ich weiß genau, dass er mir nur helfen wollte, aber wenn ich das
jetzt nicht allein schaffe, werde ich nie mit der Vergangenheit fertig!
Ich war nur für einen Moment abgelenkt, doch Noin sah seinen Vorteil und
sammelte seine ihm noch verbliebene Kraft, um sie in einem Schlag gegen mich
einzusetzen. Zu spät kann ich reagieren und werde mit voller Wucht getroffen und
gegen eine Hausfassade geschleudert. Ich spüre, dass ich mich ernsthaft verletzt
habe, das Atmen fällt mir sehr schwer und ich kann nicht mehr aufstehen. Es war
wohl wirklich mein letzter Kampf. Aber aufgegeben habe ich noch nicht!
Noin schwebt in seinem Triumph über mir und lacht mich aus. Er streut Salz in
meine Wunden, lässt mich wissen, wie sehr ich versagt habe, Maron zu beschützen.
Doch ich bin noch nicht geschlagen...
Er legt seinen Kopf in den Nacken und lacht. Jetzt ist meine Chance gekommen,
auf diesen Moment der Unachtsamkeit habe ich gewartet. Seine Überheblichkeit
wird ihm jetzt das Leben kosten, das schwöre ich.
Ich gebe mir noch eine Sekunde, um zu zielen, dann werfe ich den Dolch. Er
trifft ihn mitten in die Brust. Noin zuckt zusammen und sieht ungläubig an sich
hinunter. Auch Teufel sind nicht unsterblich, dass spürt er nun am eigenen Leib.
Wie ein Stein fällt er zu Boden und bleibt regungslos liegen. Ich sehe, wie
seine Brust sich im Kampf mit dem Tod noch ein letztes Mal zur Wehr setzt und
dann aufgibt.
Ich liege immer noch an der Hausfassade. Die Augen habe ich geschlossen; ich
spüre, wie das Leben mich verlässt. Ich schmecke Blut und meine Schmerzen sind
groß, doch ich bin glücklich. Ich habe Marons Tod rächen können!
Access kniet neben mir und ruft meinen Namen, schüttelt mich, doch ich fühle und
höre ihn kaum noch. Zu weit bin ich nun schon vom Leben entfernt. Als mein Herz
seine letzten Schläge schlägt, höre ich plötzlich eine Stimme. Es ist Maron!
Ihre Gestalt taucht auf, sie ist wunderschön. Ihre Haare trägt sie nun völlig
offen und ein weißes Gewand betont ihren schönen Körper. Aus ihrem Rücken wächst
ein mächtiges Paar weißer Schwingen. Sie ist also auch ein wahrer Engel...wieso
hat Access es mir nie erzählt? Vielleicht wollte er einfach nicht, dass ich mir
selbst das Leben nahm.
Maron nimmt meine Hand und spricht sanft zu mir, aber ich verstehe sie nicht.
Doch ihre Augen, die Strahlen wie der Morgentau im Licht der Sonne, und ihr
warmes Lächeln, dass so voller Liebe ist, sagen mir alles, was ich wissen muss.
Ich greife ihre Hand ein wenig fester und lasse mich von ihr in ein warmes,
helles Licht führen. Das muss das Paradies sein, in dem ich endlich meinen
Frieden finde, ohne Albträume und Sorgen.
Ich bemerkte Access jedoch nicht, der mit einem glücklichen Lächeln hinter uns
herflog.
Endlich waren wir alle wieder vereint....