Fanfic: Das Auge des Drachen 2
über eine Sache redete sie mit niemandem, nicht mal mit Doc. Dieser Traum, den sie immer wieder hatte; er war ihr Geheimnis. Ein Geheimnis, dass sie mit niemandem Teilen würde.
Denn sie glaubte treu daran, dass ihr mit dem Traum ihr Vater etwas Wichtiges sagen wollte. Und eines Tages würde sie den Traum verstehen, davon war Rheya felsenfest überzeugt.
Es war ja nicht so, dass sie Angst vor dem Traum hatte. Nein, wenn sie darüber nachdachte hatte sie eigentlich nur Angst in dem Traum. Das war dann wohl auch der Grund, warum sie immer so plötzlich aufwachte, aber bereits nach kurzer Zeit verflog wieder das Gefühl der Furcht. Einfach so. Anschließend saß sie dann immer eine lange Zeit in ihrem Bett und versuchte diese eine Nachricht in dem Traum zu finden. Doch wie jedes andere Mal auch gab sie es wieder auf.
Schwerfällig überwand sie sich aufzustehen, zog sich an und ging nach draußen, um mit ihren allmorgendlichen Übungen anzufangen. Wie hell oder dunkel es draußen war, oder welches Wetter gerade die Laune der übrigen Menschen beeinflusste, ließ sie dabei völlig kalt.
Etwas mehr als eine Stunde später krähte der Hahn den Sonnenaufgang herbei. Doc kam kurze Zeit später heraus, um nach Rheya zu sehen. Sein nun deutlich älteres Gesicht wechselte von verschlafen zu freundlich lächelnd, als er gespannt verfolgte, wie hart sie trainierte.
Ja, er hatte eine ausgezeichnete Schwertkämpferin aus ihr gemacht. Sie brauchte nur noch etwas Routine. Auch wenn er zunächst nicht damit einverstanden war, hatte Rheya ihn so lange angefleht bis er sich schließlich doch dazu bereit erklärt hatte. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, jemals wieder ein Schwert zu gebrauchen geschweige denn, jemand in der Kampfkunst zu unterrichten; aber als er sie so kämpfen sah, mit dieser Leidenschaft, da wusste er, dass es kein Fehler gewesen war. Er musste immer wieder über ihren Gesichtsausdruck schmunzeln, als sie während der ersten Übungsstunde beobachtet hatte, wie gut er noch sein Schwert beherrschte. Mit vor Erstaunen weit aufgerissenem Mund saß sie im Gras, scheinbar völlig bewegungsunfähig.
Aber es gab noch einen anderen, ernsteren Grund, warum er die ganzen Pflichten und Verantwortungen des Lehrmeisterdaseins übernahm. Er konnte es fast schon fühlen, dass es bald Unruhen geben würde; und es würden Zeiten hereinbrechen, schwere Zeiten, in denen jedes Schwert gebraucht werden würde. Wer auch immer es führten sollte. Würde Rheya eine Chance haben?
Er verdrängte diese düsteren Gedanken, drehte sich um und ging wieder in das bescheidene Haus hinein, um ein gutes Frühstück für drei zu bereiten. Ja richtig, für drei. Denn schon bald würde Rheyas alter Freund Jay vorbeischauen.
Jay war etwas älter als Rheya und hatte genau wie sie eine Vergangenheit, die sich niemand wünschen würde. In seiner frühesten Kindheit wurde er von seinen Eltern bei Nacht und Nebel ausgesetzt und musste von da an in einer Pflegefamilie aufgezogen werden.
Vielleicht war das der Grund, aber Jay gehörte schon immer zu der leicht reizbaren Sorte Mensch. Ansonsten ist er immer sehr freundlich, aber wenn ihm etwas nicht gefällt, macht er das sofort deutlich. Und genau wie Rheya hatte auch er schnell gelernt, ein Schwert als Waffe zu gebrauchen.
Mit Rheya verstand er sich die meiste Zeit sehr gut und es hatte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden ausgebildet; allerdings machte sie sich oft einen Spaß daraus, ihn immer wieder grundlos aufzuregen. Sobald dann sein Gesicht dunkelrot vor Wut zu werden begann, konnte selbst sie ein Lachen nicht mehr unterdrücken. Manchmal brachte ihn das nur noch mehr auf, aber in letzter Zeit stimmte er immer mit ein und war schlagartig wieder bester Laune. Und noch während Doc über den Jungen nachdachte, kam ihm von draußen dessen Stimme entgegen.
Rheya hatte Jay schon von Weitem kommen sehen und lief ihm ein paar Schritte entgegen. Beide begrüßten sich, redeten noch eine Weile über einige unwichtige Dinge, bis Jay schon reichlich ungeduldig fragte: „Hier rumzustehen langweilt mich. Hast du Lust mit mir zu kämpfen? Los, sag ja!“
Rheya musste lächeln.
„Ja! Zufrieden?“
Er nickte und zückte sein Schwert. Aber sie lief in Richtung Haus.
„Ich denke, du wolltest mit mir kämpfen!?“, rief er ihr hinterher.
„Das habe ich nie behauptet. Du hast gemeint ich soll „Ja“ sagen... und das habe ich dann auch gemacht.“, antwortete sie frech und grinste ihm herausfordernd entgegen.
„Rheya, komm sofort hierher und kämpfe endlich mit mir!“
„Keine Lust...“
Jay wollte gerade anfangen sich über hinterlistige Mädchen zu beschweren, als Rheya sich nochmals zu ihm umdrehte und ihm ins Gesicht lachte. Endlich begriff er, dass sie ihn mal wieder zum Narren gehalten hatte und folgte ihr in die Küche. Dabei versuchte er wütend auszusehen, was ihm allerdings nicht recht gelang, da er selbst ein Grinsen kaum unterdrücken konnte.